Lasst mich zuerst eines klarstellen: Alle Aussagen, die mit „Das Leben mit Kindern ist…“ anfangen, sind mit größter Vorsicht zu genießen. Was die vielen gut gemeinten Ratschläge angeht, denen Eltern von Babys ausgesetzt sind – von denen, wie das Kind essen oder schlafen sollte, bis zu denen, wie ICH essen und schlafen sollte –, so gibt es etwas, an das ich immer zu denken versuche: Ich beantworte alle Ratschläge mit „Ich weiß es am besten“.
Niemand kennt dein Kind so gut wie du (außer vielleicht das andere Elternteil, sofern es ein solches gibt), und niemand kann richtig verstehen, wie es ist, mit deinem Kind zu leben. Zu verallgemeinern und zu behaupten, dass „Säuglinge sich überallhin mitnehmen lassen“, nur weil das eigene Kind ein zufriedenes kleines Bündel ist, das stundenlang fröhlich im Kinderwagen liegen und seine Mutter anstrahlen kann, ist so, als würde man behaupten, dass die Mondlandung niemals stattgefunden hat, weil man selbst nicht dabei war.
Hat zwei Jahre lang die ganze Nacht durchgeschrien, weil es Probleme mit den Ohren hatte.

Überlebenstipps
Das musste einmal gesagt sein. Und jetzt möchte ich Eltern von Babys trotzdem einige Überlebenstipps geben. Vorsicht: Dies sind keine allgemeingültigen Ratschläge (die es, wie gesagt, gar nicht geben kann), doch sie haben bei mir und meinem Mann funktioniert.
Wenn du also so ähnlich bist wie ich – und in einer heterosexuellen Beziehung mit zwei Kindern lebst, von denen Nummer eins Koliken hatte und Nummer zwei fast zwei Jahre lang jede Nacht durchgeschrien hat, weil es Probleme mit den Ohren hatte –, dann können diese Tipps vielleicht von Nutzen sein.
1. Suche dir einen Feministen
Das ist das A und O. Ich weiß, dass man auf Gleichstellung pfeifen kann, wenn Kinder ins Spiel kommen, ganz egal wie feministisch die beiden Elternteile zu Beginn sind. Doch ich kann nicht nachdrücklich genug empfehlen, sich mit jemandem zu vermehren, der zumindest den Anspruch hat, die Verantwortung zu teilen, wenn es ernst wird.
Ein Pakt, sich nicht zu trennen, bevor das Kind zwei Jahre alt ist.
Das mit Abstand Wichtigste, das zwei junge Eltern für ihre Beziehung (und für ihre Nachkommen) machen können, ist, ihre Elternzeit zu gleichen Teilen zu nehmen. Sonst gerät man schnell in eine Situation, in der der eine mehr über das Kind weiß als der andere, was schnell zu einer Polarisierung führen kann. Plötzlich gibt es einen Elternteil (und, seien wir ehrlich, es ist die Frau, wenn es sich um Frau und Mann handelt), der genau weiß, wann die Sporttasche gepackt werden soll, und bevor man es sich versieht, hat sie irgendwann auch den Geburtstagskalender der Verwandten ihres Liebsten im Blick.
2. Keine Trennung in den ersten beiden Jahren
Als wir begriffen, dass unser erstes Kind nicht so schnell aufhören würde zu schreien, erhielten wir einen wertvollen Tipp von einem Freund, dessen Kinder auch Koliken hatten: Schließt einen Pakt, dass ihr euch nicht trennen werdet, bevor das Kind zwei Jahre alt ist. Schlafmangel verändert den Menschen. Ich spreche nicht von „Ups, ich war lange auf und habe nur fünf Stunden geschlafen“, sondern von echtem Schlafmangel. Im Sinne von „Sie hat drei Wochen hintereinander nachts von 23 bis 5 Uhr geschrien, und ich weiß nicht mehr, was ich machen soll“.

Das ist Schlafmangel, der einen verändert. Er lockt Seiten an dir hervor, von denen du nicht wusstest, dass es sie gibt. Ich zum Beispiel wurde ungeheuer kleinlich und neidisch auf meinen Mann, der zur Arbeit „fliehen“ konnte und mich mit dem Geschrei und der Unruhe allein ließ. In einer solchen Situation zu wissen, dass alles, was zwischen uns gesagt wird, in einer Art Ausnahmezustand geschieht, und zumindest nicht zu einer Trennung (und allem, was dazu gehört, wie einer Teilung der Finanzen und getrennten Wohnungen) führen würde, ist einfach schön. Eine Sache weniger, über die man sich Gedanken machen muss, wenn alles um einen herum Chaos ist.
3. Getrennte Schlafzimmer
„So anstrengend kann es doch eigentlich nicht sein, mit einem Kind zu leben, das nicht schläft“, meint vielleicht mancher. Ich halte mich dabei ganz an Game of Thrones und antworte mit eisiger Stimme: „You know nothing, Jon Snow.“ Wer es nicht durchlitten hat, weiß nichts. Für mich war das Schlimmste, dass kein Ende abzusehen war.
Schlaf ist wichtiger als Beischlaf.
Bei Ben, unserem Kleinsten, ging das so, bis er mit zweieinhalb Jahren an den Ohren operiert wurde. Es. War. Schrecklich. Dauernd fing ich an zu weinen, bei der Arbeit, bei Kundenmeetings. Ich schlief sogar am Schreibtisch ein. Ich zweifelte an allem. Und dazu diese Ängste … Ich und mein Mann beschlossen auf jeden Fall schnell, in verschiedenen Zimmern zu schlafen. Einer übernahm die Kinderwache, der andere konnte im anderen Zimmer mit Ohropax schlafen. So gab es zumindest die theoretische Möglichkeit, einige Nächte in der Woche durchzuschlafen.
4. Den Sex-Druck verringern
Natürlich soll jeder so viel Geschlechtsverkehr betreiben, wie er mag. Doch für uns rutschte der Sex auf der Prioritätenliste so weit nach unten, dass ich fast wieder Jungfrau wurde. Schlafen und schlaflose Logistik sind wichtiger als Beischlaf. Und das ist in Ordnung! Vergiss alle, die sagen, dass Sex der unverzichtbare Kitt in der Beziehung ist. Ihr wisst es am besten! Außerdem wird es richtig spannend, wenn ihr dann wieder Lust aufeinander habt. Wie sieht mein Mann heute wohl nackt aus?
Text: Maria Hellbjörn

Maria Hellbjörn
Alter: 36 Jahre
Familie: Mann und zwei Kinder, Ben (3) und Bo (6)
Wohnort: Göteborg
Über die Aufgabe als Eltern:
„Ich sage oft zu meinen Kindern, dass sie genauso sein dürfen, wie sie möchten, solange sie nett sind. Für mich und meinen Mann ist es das Wichtigste, unseren Kindern nicht irgendwelche Eigenschaften oder Interessen vorzuschreiben, nur weil dies einer Norm oder unseren eigenen Hintergründen entspricht. Unser Traum ist, dass unsere Kinder zu freien, neugierigen und großzügigen Menschen heranwachsen, die so wenig wie möglich durch Normen oder Scham begrenzt werden.“